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Vom Meer

Über die Romantik von Sonnenuntergängen, die Mystik des grünen Blitzes und die dunkle Seite von Delfinen

Erschienen am 24.08.2010, Auflage: 3/2011
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783866481190
Sprache: Deutsch
Umfang: 286 S.
Format (T/L/B): 2.7 x 22 x 14.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Was ist an Sonnenuntergängen romantisch? Warum fasziniert uns der grüne Blitz und wieso glauben wir, er beeinflusse unser Liebesglück? Halten wir Delfine zu Recht für unsere Freunde? James Hamilton-Paterson durchleuchtet das Meer in all seinen Facetten, und er liefert erhellende und unterhaltsame Erklärungen zu zahlreichen maritimen Phänomenen von Tieren über Inseln und Schiffe bis hin zu Mythen und Fabelwesen: Mondregenbogen und Narrenschiffe, Korallen und Seeungeheuer bevölkern das Universum seiner Texte. Scharfsinnig, persönlich und immer wieder überraschend schildert James Hamilton-Paterson seine vielfältigen Begegnungen mit dem Meer, diesem unfassbaren Wesen, das er schützen möchte wie eine Geliebte, und er staunt: 'Ich selbst kann mir nicht wirklich er- klären, warum das Meer mich dermaßen stark im Griff hat. Sein Murmeln und sein Ernst sind so tief, dass es kaum einen Aspekt von ihm gibt, dessen Entdeckung in meinem Geist nicht etwas in sympathetische Schwingungen versetzte, so wie die zarten Borstenhaare einer Krabbe noch die feinste Bewegung des Wassers registrieren.'

Autorenportrait

James Hamilton-Paterson, 1941 in London geboren, ist renommierter Journalist, Lyriker, Sachbuchautor und Romancier mit einer besonderen Neigung zum Meer. Seit Jahrzehnten lebt das Mitglied der Londoner Royal Geographical Society in Österreich. Zuletzt erschien sein Roman Heilige der Trümmer (2009).

Leseprobe

'Das Gespenst der Sonne' (über den grünen Blitz) Meteorologische und himmlische Ereignisse scheinen Menschen immer schon seltsam fasziniert zu haben. Je seltener das Phänomen, desto größer die Faszination. Auch heute sind viele Nichtwissenschaftler bereit, Kontinente zu durchqueren, um eine totale Sonnenfinsternis zu beobachten. Was sie anzieht, ist nicht nur die Aussicht auf ein einmaliges Erlebnis, sondern, wie ich vermute, auch der Überrest alter abergläubischer Vorstellungen, dass es eine besondere Bedeutung habe. Unsere Welt ist so weit gezähmt und entmystifiziert, dass wir den Drang haben, die Ehrfurcht vor ihr von der Müllkippe zurückzuholen, auf die wir unsere Naturgefühle geschmissen hatten. Daher rührt auch unser wiedererwachtes Interesse am 'grünen Blitz' oder 'grünen Strahl'. Der grüne Blitz ist etwas, das sich gelegentlich bei Sonnenuntergängen ereignet und bestenfalls ein paar Sekunden anhält, weshalb es nicht sehr häufig beobachtet wird. Er kann in dem Moment auftreten, da die Sonne hinter dem Horizont verschwindet. In der Regel zeigt sich ein smaragdgrüner heller Fleck über dem letzten Fitzelchen Sonne und hält sich dort ein, zwei Sekunden nach deren Verschwinden. In seltenen Fällen blitzt vom Ort ihres Verschwindens ein grüner Strahl auf. Ich hatte zweimal das Glück, den grünen Blitz zu sehen. Das erste Mal geschah dies 1979, als ich allein auf einer Landspitze der philippinischen Insel Palawan saß. Ich hatte damals noch nie von diesem Phänomen gehört. Da ich mir nicht sicher war, was ich gesehen hatte, erwähnte ich es nicht, denn ich befürchtete, man könnte mich auslachen und sagen, ich hätte wohl zu viel San-Miguel-Bier getrunken. Das zweite Mal war viele Jahre später an Bord eines schottischen Trawlers in der Nordsee, als ich einen Artikel zum Thema Überfischung recherchierte. Auch diesmal sagte ich nichts, da die ganze Mannschaft auf Deck mit dem Fang beschäftigt war und jeden, der die Muße hatte, einen Sonnenuntergang zu betrachten, mit gnadenlos bissigen Sprüchen eingedeckt hätte. Mittlerweile hat der grüne Blitz sogar in die Populärkultur Eingang gefunden. In dem Film 'Fluch der Karibik 3: Am Ende der Welt' gilt er als Zeichen dafür, dass eine Seele ins Leben zurückgekehrt ist, was in diesem Fall heißt, dass Johnny Depp als Captain Sparrow aus Davy Jones' Spind herausgefunden hat. Schon 1986 gab es Éric Rohmers Film 'Le rayon vert', 'Das grüne Leuchten', dessen Heldin in Liebesnöten ist und als Zeichen auf den grünen Blitz hofft, von dem sie aus dem gleichnamigen Roman Jules Vernes weiß. Dass Verne 1882 um dieses Phänomen herum einen ganzen Roman schrieb, spiegelt das wissenschaftliche Interesse des 19. Jahrhunderts: Man suchte eine Erklärung für etwas, das die Menschen seit Jahrhunderten verwunderte und das bereits die alten Ägypter bemerkt hatten. Verne beschreibt die Bemühungen seiner Heldin Helena Campbell, in Schottland den seltenen grünen Blitz zu erhaschen. Doch ihr Blick auf den Sonnenuntergang wird immer wieder gestört durch Wolken oder Segelschiffe, und als es tatsächlich zu einem grünen Blitz kommt, verpasst sie ihn, weil sie genau in diesem Moment in die Augen ihres Geliebten blickt. Verne erwähnt in seinem Roman eine Legende, die besagt, dass wer den grünen Blitz gesehen hat, in der Liebe nie die falsche Wahl trifft. Ich kann dazu nur sagen: Obschon ich den grünen Blitz gleich zweimal gesehen habe, habe ich in Liebesdingen mein Leben lang katastrophal danebengegriffen. Aber das sagt über Legenden nichts anderes, als was ich bereits gewusst habe. Wissenschaftlich lässt sich der grüne Blitz erklären mit der Brechung des Lichtes der untergehenden Sonne und den Eigenheiten unseres Sehvermögens. Die Atmosphäre funktioniert wie ein Prisma, das Sonnenlicht in seine Spektralfarben aufspaltet, die in verschiedenen Winkeln gebrochen werden. Längere Wellen wie Rot werden weniger, kürzere wie Blau und Gelb dagegen stärker gebrochen. Sinkt die Sonne dem Horizont

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